– Hinweise und Empfehlungen zu Lockerungsmaßnahmen und Hygienekonzepten im Kulturbereich

Hinweise und Empfehlungen zu Lockerungsmaßnahmen und Hygienekonzepten im Kulturbereich

Die Servicestelle im Kulturbereich hat in Zusammenarbeit mit Expert:innen des Runden Tisches für Kultur- und Kunstschaffende mit Behinderung und auf Basis von Empfehlungen der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e.V. einige Hinweise und Empfehlungen zusammengetragen, wie Lockerungs- und Hygienemaßnahmen im Kulturbereich so umgesetzt werden können, dass alle Menschen wieder am öffentlichen kulturellen Leben teilhaben können.

Auch in Krisenzeiten behalten die UN-Behindertenrechtskonvention und die damit verbundenen Verpflichtungen ihre Gültigkeit. Dies betrifft im Kulturbereich insbesondere die Umsetzung der Barrierefreiheit von Kulturangeboten, -materialien und -gütern sowie Gebäuden aber auch die Verbesserung der Teilhabe von Künstler:innen und Kulturschaffenden mit Behinderung.

Lockerungen und damit verbundene Hygienekonzepte im Kulturbereich dürfen nicht dazu führen, dass als pauschale Vorsichtsmaßnahme sogenannte Risikogruppen von kulturellen Angeboten ausgeschlossen werden.

Stigma Risikogruppe

Beispielsweise gehört ein:e Rollstuhlfahrer:in nicht automatisch zur Risikogruppe. Es kann Menschen mit und ohne Behinderung, sowohl im Publikum als auch im Team geben, die ein erhöhtes Risiko tragen, einen schweren Covid-19-Verlauf zu erleiden. Diese Personen sind sich vermutlich ihrer Risiken bewusst und müssen selbst entscheiden können, wo und wie sie teilhaben. Gleichzeitig müssen sie sich darauf verlassen können, dass sich alle an die Hygienemaßnahmen halten und sie umsetzen.

Es muss verhindert werden, dass Personen der sogen. Risikogruppe aus Selbstschutz auf die kulturelle Teilhabe verzichten und in ihrer Berufsausführung im Vergleich zu Kollegen:innen eingeschränkt werden und sich isolieren müssen. So würden die Lockerungen und Hygienekonzepte einseitig die sogen. Risikogruppe treffen.

Alternativen anbieten, Flexibilität bewahren

Es wird nicht immer einfach sein, für jede Situation sofort Hygieneregeln zu finden, die allen Anforderungen gerecht werden. Deshalb ist es entscheidend, die Konzepte aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und Alternativen anzubieten. Manche Hygienemaßnahmen führen in einer permanenten Einhaltung auch zu gesundheitlichen Belastungen, so dass von vornherein eine gewisse Abwechslung eingeplant werden sollte, um Belastungen so gering wie möglich zu halten.

Im Folgenden finden Sie einige Lösungen und Anregungen zur inklusionsorientierten Gestaltung von Lockerungsmaßnahmen und Hygienekonzepten im Kulturbereich. Diese basieren u.a. auf den Empfehlungen der Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e.V.

Die Sächsische Verwaltung hat auf den einschlägigen Informationsseiten im Netz und auch auf Facebook alle wichtigen Informationen rund um Corona in Gebärdensprache (und auch Leichte Sprache) übersetzt.

Hygienemaßnahmen barrierefrei kommunizieren

  • Sind Texte und Grafiken kontrastreich und groß genug für Menschen mit einer Sehbehinderung?
  • Berücksichtigen Informationen das Zwei-Sinne-Prinzip (mindestens zwei der drei Sinne Sehen, Hören und Tasten müssen berücksichtigt werden)? Für blinde Personen sind rein visuell aufgebaute Infotafeln nicht lesbar. Eine kurze Einführung zu den Hygieneregeln durch den Besucherservice am Empfang wäre denkbar.
  • Sind die Hinweisschilder so angebracht, dass sie auch für Rollstuhlfahrende, Kinder, kleinwüchsige Menschen (visuell) einsehbar sind?
  • Sind die Formulierungen leicht verständlich für Menschen mit Lernschwierigkeiten? Können Piktogramme die Verständlichkeit erhöhen?
  • Gibt es Informationen in Gebärdensprache?

Hygienemaßnahmen aus verschiedenen Perspektiven denken

  • Können kleine Personen, Personen mit Rollator oder Rollstuhl den Desinfektionsspender erreichen?
  • Seien Sie darauf vorbereitet, dass ein Spuckschutz aus Plexiglas, aber auch die Mund-Nasen-Bedeckung Kommunikationsprobleme mit sich bringen können, weil bspw. die Laustärke vermindert wird.
  • Gehörlose Menschen bspw. dürfen selbst entscheiden, ob sie einen Mund-Nasen-Schutz tragen oder nicht, da durch die Maske die Kommunikation für gehörlose und schwerhörige Personen erheblich erschwert wird. Weisen sie z.B. auf die offene Regelung durch den Freistaat hin oder passen Sie Ihre Formulierung an www.coronavirus.sachsen.de
  • Achten Sie darauf, dass mit Folie / Plexiglas abgehangene Bereiche nicht einengend wirken oder Wege versperren.
  • Vermeiden Sie, dass blinde oder sehbehinderte Menschen sich in transparenten oder milchigen Scheiben, Folien oder Hinweisschildern verfangen oder stoßen.
  • Sind Abstandsmarkierungen für alle wahrnehmbar? Leicht erhabene Markierungen können bspw. auch von blinden Personen mit dem Taststock wahrgenommen werden.
  • Ist eine Selbstbedienung im Shop und Café für jeden Menschen möglich? Können Sie ggf. Unterstützung anbieten?
  • Das Tragen von Gesichtsmasken oder Gesichtsschutz über einen längeren Zeitraum kann nach einer Weile zu gesundheitlichen Beschwerden führen, die sich beispielsweise in Form von Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit oder allgemeinem Unwohlsein äußern können. Hier ist es wichtig, zunächst ein Bewusstsein dafür zu schaffen und dass gerade der permanente Wechsel zwischen Gesichtsmaske, Gesichtsschutz und Frischluftpausen das Risiko für gesundheitliche Beschwerden minimiert.
  • Eine gute Luftzirkulation sollte für alle Räume, die benutzt werden, immer im Blickfeld bleiben, ebenso dass die Einhaltung von Mindestabständen stets gewährleistet bleiben kann.

Kontaktnachverfolgung und Datenschutz

  • Vielerorts werden Gäste gebeten, ihren Namen, Anschrift sowie Telefon- und E-Mailkontakt zu hinterlassen, um sie im Fall einer Infektion benachrichtigen zu können. Erleichtern Sie Ihren Gästen die Eintragung, indem Sie auf der Homepage Ihrer Organisation bereits ein entsprechendes barrierefreies Kontaktformular zum Ausdruck zur Verfügung stellen. Dies kann von den Gästen im Vorhinein ausgefüllt, ausgedruckt und zum Besuch mitgebracht werden.
  • Vermeiden Sie außerdem (aus datenschutzrechtlichen Gründen) Kontaktlisten offen liegen zu lassen: besser leere Adresskärtchen oder Formulare auslegen, die dann, wenn sie ausgefüllt sind in eine Sammelbox / Briefkasten eingeworfen werden können.

Teilhabe und Selbstbestimmung ermöglichen

  • Versuchen Sie, vielleicht eine Stunde früher oder an Schließtagen Ihre Einrichtung für Menschen zu öffnen, die auf taktile Objekte, eine gleichmäßige Ausleuchtung, eine ruhige Atmosphäre, etc. angewiesen sind.
  • Haben Sie daran gedacht, dass einige Personen Assistenz benötigen? Regeln, die nur eine Person für einen Raum oder Fahrstuhl zulassen, müssen in dem Fall auch eine Assistenz ermöglichen.
  • Ist eine Selbstbedienung im Shop und / oder Café für jeden Menschen möglich?
  • Ist es möglich die Veranstaltung oder Besprechung ins Freie zu verlegen?
  • Überlegen Sie, wie Gäste und Mitarbeitende Tastobjekte wie bspw. Lageplände oder Hands-On-Elemente weiterhin nutzen können. Stellen Sie z.B. Desinfektionsmittel und / oder Handschuhe zur Verfügung.

Digitalisierung ermöglichen und als Erweiterung der Angebote verstehen

  • Stehen digitale Angebote wie Videomitschnitte, Live-Streams oder Podcasts barrierefrei zur Verfügung (gibt es z.B. Untertitel, Audiodeskription oder Skripte zum Nachlesen?)
  • Haben alle die nötigen technischen Voraussetzungen, um bspw. an Video- oder Telefonkonferenzen teilzunehmen? Sind diese barrierefrei nutzbar z.B. Screenreader-kompatibel, mit Tastatur bedienbar etc.
  • Sind Video- oder Telefonkonferenzen für alle Beteiligten die angemessene Form, um eine gemeinsame Sitzung abzuhalten? Können alle Personen dem Geschehen folgen? Manche Personen können Schwierigkeiten haben, einer Sitzung per Video- oder Telefonkonferenz zu folgen. Für wen ist ein Online-Angebot wirklich nützlich? Denken Sie daran, dass wirklich alle teilhaben und zu Wort kommen.
  • Probieren sie neue digitale Formate aus.

aktualisiert am 03.09.2020

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